Maires Geschichte

Günter Heumann-Storp • Aug. 24, 2020

Tag 32 der Reise - Maire`s Geschichte

23. August 2020


Es ist ein spannender Moment. Vor mir sitzt die 88 Jahre alte Maire, ganz entspannt und hellwach auf ihrem Stuhl, daneben ihre Tochter Paula, die mir ermöglicht hat, ein Interview mit ihrer Mutter zu führen. Da die Finnin Maire kein Englisch und schon gar kein Deutsch spricht, wird sie übersetzen, was ihre Mutter sagt. 

Maire hat als Zeitzeugin etwas besonderes erlebt, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Historie der Stadt Rovaniemi. Sie ist eine der wenigen Menschen, die noch aus eigenem Erleben vom Zweiten Weltkrieg berichten können, und das aus der ganz besonderen Sicht eines 1939 sieben Jahre alten Mädchens, das mit ihren Eltern in dem Haus lebte, in dem sie geboren wurde und in dem ich auch heute das Interview führe. 

Das Haus an der Kusamontie 96 in Saarenkylä, Rovaniemi, in dem wir sitzen - und mit wir ist die gesamte Familie gemeint - nämlich Paula und ihr Ehemann, der Familienhund Lella sowie die Hauptakteurin Maire, ist etwa 200 Jahre alt. Das genaue Alter ist nicht bekannt. Es hat alle Unbilden der Geschichte überstanden und zählt zu den wenigen, wirklich noch historischen Gebäuden von Rovaniemi. Wie das möglich ist, erzählt heute Maire aus einer ganz persönlichen Sicht:

„Ich war 1939 sieben Jahre alt und bin, wie alle anderen Kinder in meinem Alter auch, in die Schule gegangen. Unsere Lehrerin hat uns als erste erzählt, dass Krieg sei. Das müssten wir unbedingt wissen. Aber ich wußte doch mit sieben Jahren noch gar nicht, was Krieg ist.

Er als die Russen die Bomben über Rovaniemi abgeworfen und unsere Brücke zerstört haben, wußte ich, was Krieg bedeutet. Das war schlimm. Wir mussten alles abdunkeln und hatten große Angst. Der Winterkrieg gegen die Russen war glücklicherweise schnell beendet.

Die folgenden Jahre ab 1939 bis 1940 waren dann Jahre der Ruhe, bis die Deutschen kamen. Aber die kamen nicht als Feinde, so habe ich das nicht empfunden. Sie wohnten zusammen mit meiner Familie und mir in unserem Haus. Durch den sehr freundlichen Kontakt waren es bald mehr Freunde als bloße Soldaten. 

Rovaniemi war für die Deutschen ein wichtiger Stützpunkt. Sie führten von hier aus Operationen durch. Ich kann mich noch daran erinnern, wie sie marschiert sind und dabei deutsche Lieder gesungen haben.

Als ich dann zwölf Jahre alt war, kam der Ortsvorsteher in unser Haus. Ich weiß noch, dass es im September war.. Er hat uns gesagt, dass wir alle aus dem Haus müssten. Rovaniemi werde niedergebrannt. Zivilpersonen sollten aber nicht zu Schaden kommen. Wir müssten nach Schweden gehen. Da seien wir sicher. Ein aus meiner Erinnerung wichtiger deutscher Soldat bot meinem Vater Heikki an, dass er mich auch zu meiner Sicherheit mit nach Deutschland nehmen könne. Das wollte mein Vater aber nicht. 

So sind wir dann am 14 September 1944 als Kriegsflüchtlinge in das etwa 120 Kilometer entfernte Haparanda in Schweden gezogen, wir Kinder mit dem Fahrrad und meine Eltern mit dem Pferd. Von dort wurden wir noch einmal mit dem Zug weiter transportiert. Wir mussten alles zurücklassen und waren uns zu dem Zeitpunkt sicher, dass wir unser Hab und Gut nicht mehr wiederbekommen würden. 

Im November ist mein Vater mit dem Pferd nach Rovaniemi zurück geritten. Und wie durch ein Wunder stand unser Haus noch. Die Sachen waren zwar herausgestellt worden und befanden sich vor dem Gebäude, aber es war noch alles da. Die Deutschen hatten es nicht niedergebrannt. Allerdings war unser Haus eines von ganz wenigen Häuser, die den Krieg unbeschadet überstanden haben. Für uns war das ein Wunder.

Ich nehme an, dass die Deutschen aus Freundschaft zu uns und aus Verbundenheit das Haus nicht abgebrannt haben. So konnten wir weiter dort leben, wo unsere Familiengeschichte zu Hause ist. 

Viel später, vor etwa 10 bis 12 Jahren, haben uns die überlebenden deutschen Soldaten hier in Rovaniemi besucht. Sie hatten sich an die ältere Schwester Kaarina meines späteren Ehemannes Pentti und an meinen Vater Heikki erinnert und wollten sie wiedersehen. Zuerst haben sie Kaarina in Oikarainen gefunden. Die hat sie dann zu mir nach Rovaniemi gebracht. 

Mein Ehemann Pentti wohnte damals mit seiner Familie in Oikarainen Kaarina war als seine Schwester 10 Jahre älter als Pentti. Zur damaligen Zeit war Kaarina 17 Jahre alt. Im Dorf Oikarainen lebten auch deutsche Soldaten, mit denen Kaarina und Pentti viel zu tun hatten. Deshalb lernten beide auch Deutsch. 

Wir haben mit den ehemaligen Soldaten noch eine ganze Zeit zusammen gesessen und unsere Erinnerungen geteilt. Es war schön, diese netten Menschen noch einmal wieder sehen zu dürfen.“

Zum Niederbrennen von Rovaniemi 1944 kam es infolge des separat abgeschlossenen Friedensvertrages zwischen der finnischen und der russischen Regierung. Finnland hatte vor dem Hintergrund der zu erwartenden Niederlage einen gesonderten Friedensvertrag geschlossen, so dass die Deutschen sich nach Norwegen zurückziehen mussten. Das Niederbrennen strategisch wichtiger Orte und Positionen war für alle Kriegsparteien damals folgerichtig, für die Zivilbevölkerung allerdings ein schlimmer Akt. 



Quellen der verwendeten Bilder:
Von Vilho Uomala, Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967398
Von Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967438
Von Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967482
Von Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967490
Von Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967521
Von Finnish Defence Forces - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7967552
sowie www.pinterest.at Winterkrieg Finnland, WebNeo
Freigegebene Familienbilder aus dem Fundus von Maire


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